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Legal Technology in den USA

Legal Technology in den USA

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Legal Tech Start-Ups in den USA sind dabei, einen gesamten Bereich auf den Kopf zu stellen: Die Juristerei. Egal ob Anwendungen für Endverbraucher oder Inhouse-Lösungen für Kanzleien, der digitale Wandel vereinfacht juristische Vorgänge derart, dass sogar Laien in der Zukunft ohne Anwalt auskommen können. Unglaublich?

2025.

Der digitale Fortschritt hat unaufhaltsam die meisten Lebensbereiche erobert. Dinge sind einfacher, schneller und wesentlich kostengünstiger. Ihr Auto tankt selbstständig Strom und bucht den Betrag automatisch vom Konto ab, das mit digitaler Währung operiert.
Ein gerichtliches Verfahren erledigt sich ganz einfach mit einer App auf dem Handy. Ihrer Mutter fällt am Samstag früh ein, dass Sie eine Patientenverfügung verfassen möchte? Auch kein Problem. Dafür gibt es online Formulare, die ein solches Verfahren schnell und kostengünstig übernehmen.

Spinnerei? Ganz und gar nicht! Die eben beschriebenen Bereiche stecken vielleicht noch in den Kinderschuhen, aber es wird bereits eifrig getüftelt, geforscht und entwickelt.

Gerade in den USA sind Start-Ups im Legal Tech Bereich dabei, vielversprechende Lösungen auszuarbeiten, die den Rechtsbereich von Grund auf verändern werden. Wir befinden uns im Zeitalter der Superintelligenz. Computer, die komplexe Probleme lösen und von sich selbst sagen, dass sie über etwas „nachdenken“. Smart Contracts, Computerprotokolle, die in Software bereits vorhanden sind und Verträge zum großen Teil überflussig machen.

Egal ob Sie dem optimistischen Lager angehören oder dem digitalen Trend skeptisch gegenüberstehen: Die Technik wird in der nahen Zukunft viele Bereich ablösen oder zumindest ergänzen. Auf dem neuesten Stand zu bleiben, ist deshalb nicht zuletzt für Juristen ein absolutes Muss!

Aber kehren wir einmal zurück in die Gegenwart. Genauer gesagt, in die USA, wo Legal Tech Unternehmen zu hunderten aus dem Boden sprießen.

Die USA sind in vielen Bereichen Vorreiter, wenn es um Entwicklung und Fortschritt geht. Das Silicon Valley ist wohl unbestritten der Think Tank auf globaler Ebene. Kein Wunder, dass sich hier auch die Anzahl der Legal Tech Unternehmen konzentriert. Laut Investorseite CB Insights wurden in Kalifornien in den letzten 5 Jahren 58 neue Legal Tech Unternehmen finanziert. Gefolgt von New York, dem internationalen Melting Pot, mit 32 Legal Tech Start-Ups.

Auch in der Forschung ist Legal Tech angekommen. Die Standford Uni hat eine eigene Abteilung namens CODEX, die sich mit Fragen rund um das Thema Legal Tech befasst. Vor allem gesetzliche Analyse, das so genannte „computational law“ ist Hauptfokus der Fakultät. Genauer gesagt versteht man darunter die Entwicklung von Anwendungen, die dem Verbraucher dabei helfen, Informationen zu gesetzlichen Vorschriften zu finden. Geschuldet ist diese Dringlichkeit wohl vor allem der Komplexität und dem Umfang amerikanischer Rechtsprechung. Was im einen Staat vollkommen legal ist, führt im anderen zur Zahlung von Bußgeld. Um diesen Paragrafendschungel für den Verbraucher, aber auch für Anwälte, zu vereinfachen, arbeitet die Uni an Anwendungen, die hier Abhilfe schaffen.

Rechtliche Überregulierung verlangt eine technische Antwort!

Landläufig bekannt in den USA ist die Cabbage Memo (engl. „Kohl-Notiz“), die überspitzt die gesetzliche Überregulierung beim Verkauf von Kohl behandelt:

The Lord's Prayer is 66 words, the Gettysburg Address is 286 words, there are 1,322 words in the Declaration of Independence, but government regulations on the sale of cabbage total 26,911 words.
Das Wort Gottes enthält 66 Worte, die Gettysburg Adresse 286 Worte, 1322 Worte umfasst die Unabhängigkeitserklärung, aber die gesetzliche Regulierung zum Verkauf von Kohl besteht aus 26911 Worten.

Auch wenn es kein derartiges Gesetz gibt, ist obiges Zitat für viele Spiegelbild der tatsächlichen gesetzlichen Regulationswut. Die Zeit ist reif, mit entsprechender Software Licht in diesen Dschungel zu bringen. Erste Anwendungen helfen Kanzleien bereits bei der Recherche und Analyse von Fällen. Damit sollen Nachforschungen vereinfacht und auch für den Otto-Normalverbraucher zugänglich gemacht werden. Das Ziel ist, eine transparentere Rechtsprechung zu schaffen und damit im Endeffekt auch mehr Demokratie zu ermöglichen.
Aber nicht nur im Bereich der Analyse gibt es Bedarf. Die amerikanische Wirtschaft hat sich in den Jahren nach der Finanzkrise verändert. Immer mehr Freelancer und Start-Ups sind entstanden, die lokal und global online agieren. Diese heranwachsende Generation der Digital Natives ist im Internet zu Hause. Sie erledigen Bankgeschäfte online, kaufen Produkte im Internet, ersetzen den Arzt durch Diagnose-Apps und tauschen sich in Foren über rechtliche Fragen aus. Kein Wunder, dass diese sich auch ihren Anwalt über einen Online-Marktplatz suchen und sich per E-Mail beraten lassen.

Eine natürliche Entwicklung, die sich in der Zukunft noch weiter fortsetzen wird.

Grundsätzlich lassen sich in den USA zwei Hauptbereiche unterscheiden, in denen Legal Tech zum Einsatz kommt. Das sind einerseits Unternehmen, die sich darauf spezialisieren, Prozesse für Individuen zu vereinfachen. Wie oben schon angesprochen sind dies beispielsweise Legal Marketplaces, wo Anwälte online gesucht und gebucht werden können und die Bezahlung automatisiert abläuft. Aber auch immer mehr Anwendungen im Bereich des Dokumentservice sind auf dem Markt. So gibt es mittlerweile die Möglichkeit, notarielle Angelegenheiten einfach und schnell online abzuwickeln.

Der andere Zweig befasst sich eher mit Kanzleien und deren internen Abläufen (Inhouse Solutions). So haben beispielsweise Anwendungen, die bei der Ausarbeitung von Vertragswerken helfen, großen Anklang. Sie vereinfachen Abstimmungsprozesse und sparen den Kanzleien unglaublich viel Zeit, und damit auch Geld. Immer ein gewinnendes Argument für Unternehmen, die sich auf einem hart umkämpften Markt durchsetzen müssen.

Eine weitere Entwicklung stellen so genannte Cloud-Lösungen dar, die auch in einfacher Form von Normalbürgern benutzt werden. Dabei erstreckt sich die Nutzung von einfacher Ablage, über die Rechnungsstellung hin zum kompletten Rechtsprechung-Management- Software-System.

Wie es scheint, gibt es viele Ansätze im Bereich von Legal Tech in den USA. Dennoch scheint die Entwicklung, im Vergleich zu anderen Sparten, im Schneckentempo voranzuschreiten. Weshalb ist das so? Vielleicht weil die Rechtsprechung doch ein traditioneller Bereich ist, den viele lieber unangetastet sehen?

Skeptiker von Legal Tech in den USA vermerken, nicht ganz zu Unrecht, dass Technologien im Rechtsbereich auch Grenzen aufweisen. Gerade in einem Land, das als äußerst klagefreudig zu bezeichnen ist, bleiben Kanzleien eher auf der sicheren Seite und vermeiden das Risiko millionenschwerer Rechtsstreits. Denn schon ein einziger Fehler im Programm kann weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Und Software-Firmen selbst können nur bedingt für Fehler in Anwendungen verantwortlich gemacht werden. Ein Risiko, das viele Anwälte verständlicherweise scheuen.

Aber auch menschliche Qualitäten, wie Verhandlungsgeschick und Kompromissbereitschaft kann Technik nicht zur Gänze übernehmen. Wie sollen komplexe Verträge entstehen, wenn eine Maschine auf den programmierten Algorithmus pocht und keine Alternativen vorgesehen sind?

Zudem fehlt derzeit eine Gesamtlösung, die Anwälten einen unkomplizierten Zugang zu allen Vorgängen erlaubt. Dies zum einen, weil Juristen vielbeschäftigt sind und nicht die Zeit aufbringen, um sich ständig mit neuer Software auseinanderzusetzen. Die „billable hours“ verhindert, dass Zeit in Dinge investiert wird, die nicht direkt etwas mit den Klienten zu tun hat.

Zudem sind Anwaltskanzleien in den USA so strukturiert, dass Veränderung von außen eher schleppend Einzug halten kann. Das Partnership Modell ist hierarchisch zu steil und zudem unflexibel, so dass schnelle Entscheidungen und eine rasche Anpassung an neue Begebenheiten eher unwahrscheinlich scheinen.
Außerdem muss Software untereinander kompatibel sein. Nicht nur intern, sondern auch mit Vorgängen, die außerhalb stattfinden. Notwendig wäre hier vielleicht, dass öffentliche Institutionen den ersten Schritt machen und damit Standards setzen und Anknüpfungspunkte bieten für weitere Entwicklungen.

Ist also der Siegeszug von Legal Tech nun greifbar oder nicht?

Was Legal Tech auf jeden Fall ist: Ein neuer spannender Technologie–Bereich mit viel Potential, der Prozesse vereinfacht, Kosten minimiert und einen Mehrwert für die Nutzer bietet. Er verspricht Transparenz und wird das Recht in den USA auch für Nicht-Juristen verständlich, oder zumindest zugänglich, machen. Hier liegt wohl einer der größten Vorteile von Legal Tech.

Auf der anderen Seite stehen jedoch die Kanzleien, die bisher eher zögerlich auf diese neue Entwicklung reagieren.

Eine Studie von Altman Weil “Law Firms in Transition” (2015) zeigt jedoch, dass Kanzleien, die neue Technologien einsetzen, wesentlich effektiver und profitabler operieren. Eigentlich ein überzeugendes Argument!

Trotzdem ist es für Legal Tech Unternehmen schwer, schnell zu wachsen, da sich die Kanzleien in den USA bisher eher veränderungsresistent zeigen. Das wirkt sich auch auf die Capital Venture Geber aus, die 2016 eher verhalten in diese Branche investierten.

Vom unternehmerischen Standpunkt aus betrachtet, scheint es so, dass es für Start-Ups derzeit rentabler ist, sich weg von Kanzleien und hin zu Verbrauchern zu orientieren.
Es bleibt abzuwarten, wohin die Fahrt geht. Legal Tech in den USA und auch weltweit steckt noch in den Kinderschuhen. Sicher ist jedoch, dass es in den nächsten Jahren spannende Experimente geben wird, die den Bereich Recht nachhaltig verändern werden. Und wer weiß, vielleicht wird es in der Zukunft ein universelles Gesetz geben, dass weltweit die regionale Rechtsprechung ersetzt. Ein großer Schritt von Moses Steintafeln hin zur künstlichen Superintelligenz.

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